Es ist still im Wald. Während andere Menschen noch schlafen, sitzt sie schon auf dem Hochsitz und wartet.
Seit fünf Jahren ist Ramona Sonnenschein als Jägerin unterwegs, betreut ein festes Gebiet von knapp 3.000 Hektar – das sind umgerechnet 4.201 Fußballfelder.
Zu ihren Aufgaben gehört nicht nur der Abschuss von Wild, sondern auch die Hege und Pflege des Waldes.
„Im Sommer sind wir fast jeden Tag draußen unterwegs. Im Winter immer dann, wenn die Truhe leer ist. Doch bei der Jagd geht es um weit mehr, als um den Abschuss von Tieren. Es ist gelebter Umweltschutz, denn wir helfen, Wildschäden in Wald und Feld zu minimieren und bei der Ausbreitung von Tierseuchen wie beispielsweise der Afrikanischen Schweinepest einzugreifen. “
Über ihren Partner und die Familie kam die 32-Jährige mit dem Thema in Berührung, war anfangs stille Beobachterin, bis sie sich schließlich dazu entschied, auch selbst den Jagdschein zu machen. Ein halbes Jahr lang lernte sie
unter der Woche in der Theorie Themen wie Wildbiologie, Jagdpraxis, Waffenkunde, Wildkrankheiten und die Behandlung von erlegtem Wild. Samstags ging es dann auf den Schießstand. Hierbei steht der sichere Umgang mit der Langwaffe (Büchse und Flinte) und der Kurzwaffe (Pistole und Revolver) an erster Stelle.
„Um den Jagdschein erhalten zu können, reicht es nicht, bloß den Umgang mit der Waffe zu kennen. Es gehört so viel mehr rund um die Flora und Fauna dazu. Außerdem muss ein Nachweis über die persönliche Zuverlässigkeit nach dem Waffengesetz vorliegen sowie ein einwandfreies Führungszeugnis vorhanden sein“, erklärt Sonnenschein, die während ihrer Ausbildung vom Förster auch gezeigt bekommen hat, wie man Wild fachkundig zerlegt. Scheu vor schmutzigen Händen ist dabei fehl am Platz.
„Die Jagd an sich ist sehr streng geregelt. Wir gehen nicht einfach in den Wald und erschießen alles, was uns vor die Büchse läuft. Es gibt Abschusspläne, an die wir uns zu halten haben; diese werden sehr streng kontrolliert und das ist auch richtig so. Wir begutachten die Tiere, untersuchen erlegtes Wild auf Krankheiten, melden genau, wo, wann, was und wie viel wir geschossen haben. Wir stehen im stetigen Kontakt mit dem Jagdherren.“
Doch nicht nur im Wald haben sich die Jäger an strenge Regeln zu halten. Auch im Heim muss die Waffe im Waffenschrank gesichert werden – getrennt von der Munition. Selbst beim Weg in den Wald wird penibel darauf geachtet, dass die Ausrüstung vorschriftsmäßig verwahrt ist. Denn bei Verfehlungen kann der Jagdschein oder die Waffenbesitzkarte von den Behörden eingezogen werden.
Die Jagd ist somit nicht nur ein streng kontrolliertes Hobby, sondern auch kostenintensiv. Für die Ausbildung und den Jagdschein kann man über 1.000 Euro rechnen, das Gewehr von Ramona Sonnenschein kostete rund 7.000 Euro. Hinzu kommt der Waffenschrank, Munition, der Begehungsschein für den Staatsforst von rund 1.200 Euro und auch das erlegte Tier, welches für den Eigenverzehr mitgenommen wird, muss bezahlt werden.
Auf das Jahr hochgerechnet ist Ramona Sonnenschein mit Partner und selbst ausgebildetem Jagdhund zwei bis drei Mal die Woche im Wald unterwegs – bei Wind und Wetter, meist vor Sonnenaufgang.
„Es ist mehr als ein zeitintensives Hobby. Man muss schon eine gewisse Leidenschaft dafür entwickeln, wenn man im Winter morgens um 5 Uhr bei Eiseskälte auf dem Hochsitz ausharrt“, erzählt sie und schmunzelt.
Doch besonders der Nachhaltigkeitsgedanke und der bewusstere Umgang mit Fleisch sorgten in den letzten Jahren dafür, dass sich immer mehr Menschen für das Thema Jagd interessieren.
„Mehr Bio geht bei Wildfleisch eigentlich nicht. Hier weiß man, dass das Tier bis zum Abschuss durch Wald und Wiesen gehüpft ist. Keine engen Ställe, keine hochgezüchteten Rassen, keine Medikamente. Immer mehr möchten Fleisch konsumieren, welches fernab von Massentierhaltung entstanden ist und von dem sie wissen, wo es herkommt.“ Auch der Umgang mit erlegten Tieren wird allumfassender. „Wir möchten so viel wie möglich von der Beute verwerten. Aus dem Pelz von Waschbär oder Fuchs, die aufgrund der Eindämmung von Staube geschossen werden müssen, lässt sich ein wärmendes Innenfutter nähen.“ Und in ihrer eigenen ‚Kleinen Jagdschmuckschmiede‘ fertigt Sonnenschein moderne Schmuckstücke unter Verwendung von Grandeln (Rotwildzähnen) oder Horn, die Jäger und Jägerinnen ihr zuschicken – und es läuft sehr gut. Aus Patronenhülsen entstehen so beispielsweise Manschettenknöpfe, aus Grandeln und Zirkonia hochwertige Schmuckanhänger, die man auch im Alltag tragen kann, ohne kritisch beäugt zu werden.
„Das Image der Jägerschaft wandelt sich – es wird moderner. Es ist nicht mehr das Bild der alten, weißen Männer mit Hut, die Kräuterschnaps trinken und im Wald Tiere umballern. Immer mehr Menschen erkennen, wie wichtig unsere Arbeit im Wald ist, was alles dahinter steckt. Und seit Jahren nimmt auch der Anteil an jungen Leuten und besonders an Frauen extrem zu. Der bewusste Umgang mit den Tieren, der Nachhaltigkeitsgedanke und die Aufklärung lassen Anfeindungen seltener werden.“
Der bewusstere Konsum von Fleisch und der nachhaltigere Umgang mit der Natur sorgen somit dafür, dass die Jagd vermehrt als das wahrgenommen wird, was sie ist: ein wichtiger Punkt in Sachen Umwelt- und Tierschutz.
Artikel vom 24.11.2020 – https://34-magazin.de/nachhaltige-jagd-mehr-bio-geht-nicht/1273/
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